Ein Badezimmer auf der Straße
Im ersten Dusch-LKW Niedersachsens finden obdachlose Menschen nicht nur Hygiene, sondern auch Würde, Nähe – und ein offenes Ohr. Für einige ist es sogar der erste Schritt aus der Isolation – hin zu neuer Teilhabe.
Geschickt manövriert Jens* seinen Rollstuhl auf die Laderampe. Und schon geht es aufwärts in die barrierefreie Duschkabine des Spezialfahrzeugs. Geübt schwingt er sich auf den Duschstuhl, schließt die Augen und genießt, wie das warme Wasser über seinen Körper läuft. Ein kurzer Plausch, dann muss er weiter, einen Schlafplatz für die Nacht suchen. Denn Jens lebt auf der Straße.
„Ein bis zwei Mal pro Woche kommt Jens an unseren Standort hinter dem Hauptbahnhof“, berichtet Julian Wundke, der das Projekt MOBALNI in Hannover leitet. MOBALNI? Das steht für Mobiles Badezimmer: Im Zugfahrzeug lagern Tisch und Sitzbänke, dazu Handtücher, Seife und frische Unterwäsche. Herzstück des Projekts ist der neun Meter lange Duschanhänger mit drei kompletten Badezimmern. Eins ist barrierefrei, so dass auch Menschen mit Behinderungen – wie Jens – das Angebot nutzen können.
„Vorher musste ich in Flüssen baden gehen oder ins Schwimmbad. Hier fühle ich mich menschlich angenommen.“
An vier Tagen in der Woche steuert das MOBALNI zentrale Plätze an, um jeweils 20-25 Personen eine heiße Dusche zu ermöglichen.
Donnerstags von zehn bis zwölf ist „Frauenduschzeit“. Die liegt Projektleiter Wundke besonders am Herzen: „Frauen, die auf der Straße leben, brauchen mehr Schutz, da sie Gewalt und Übergriffen stärker ausgesetzt sind.“
Interview
Erster Duschbus Niedersachsens
Seit dem Frühjahr 2024 ist mit MOBALNI der erste Duschbus Niedersachsens in Hannover im Einsatz. nah dran sprach mit Projektkoordinator Julian Wundke über das Projekt.
Was ist besonders an MOBALNI?
Wundke: Mit MOBALNI ermöglichen wir obdach- und wohnungslosen Menschen Zugang zu sanitären Einrichtungen und sauberem Wasser. Und zwar dort, wo sie sich bevorzugt aufhalten.
Ein Bad ist barrierefrei. Warum?
Wundke: Viele Menschen, die auf der Straße leben, nutzen Rollstuhl oder Rollator. An unserem Assistenztag steht Pflegebedürftigen auf Wunsch eine Fachkraft zur Seite, die beim Duschen assistiert, Wunden versorgt oder zu Gesundheitsthemen berät.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Wundke: Vor allem wünsche ich mir, dass MOBALNI Menschen bei der Wiedereingliederung in ein „normales“ Leben hilft. Aber auch Spenden und ehrenamtliche Unterstützung sind herzlich willkommen. So ein Projekt können wir als Malteser nur stemmen, wenn viele mitmachen.
Auch für den beinamputierten Jens ist das MOBALNI die einzige Möglichkeit, sein Bedürfnis nach Hygiene und Würde zu stillen. „Alleine ist Katastrophe“, sagt er. Und „Hier ist meine Familie.“ Was sicher auch am Kaffee liegt, den die Helfer großzügig anbieten. Für die Nöte der Duschgäste haben sie immer ein offenes Ohr. Denn die Dusche ist nur der Anfang. Ein Treffpunkt, um mit Obdach- und Wohnungslosen in Kontakt zu kommen und ihnen den Schritt weg von der Straße zu erleichtern.
Projektleiter Wundke berichtet von einem Klienten, der mehrere Wochen lang kam, um sich für Vorstellungsgespräche frisch zu machen. Seitdem hat er ihn nicht mehr gesehen und hofft, dass er den Absprung geschafft hat.